Wie die Zeiten sich verändern

Wer schreibt, sammelt Informationen, recherchiert Begriffe, hält Augen und Arme offen für Begegnungen und Inspirationen und er ist, das ist heute fast unvermeidlich, digital unterwegs. Social Media und Digitalisierung sind die Zauberwörter, ohne die heutzutage nahezu gar nichts mehr geht. Wer hat nicht schon festgestellt, dass immer mehr Leute bei den alltäglichsten Verrichtungen aufs Handy starren oder aber die einfachsten Vorgänge auf einmal digitalisiert und damit nicht unbedingt vereinfacht werden?
Der Wandel schreitet voran und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass ich manchmal das Gefühl habe, mich nicht mehr anpassen zu können. Digitalisierung ist durchaus ein Segen, aber auch ein Zeitdieb und sie fordert ohne Gnade, dass man sich mit ihr beschäftigen muss.
Es ist noch nicht lange her, dass alle Grundstücksbesitzer Angaben zu ihren Grundstücken machen mussten, weil der Staat neue Regeln für die Erhebung der Grundsteuer aufstellen wollte. Natürlich ging das nur digital. Wer dem nicht gewachsen war, musste sich professionelle Hilfe holen und diese auch bezahlen.
Du möchtest einen Termin beim Arzt oder beim Einwohnermeldeamt? Bitte sehr, machs digital, sonst telefonierst du dir die Finger wund. Im Parkhaus wird dein Nummernschild digital erfasst, bezahlt wird immer mehr mit dem Handy oder der EC-Karte, das Smarthome-System steuert deinen gesamten Haushalt und Bewerbungen für eine Ausbildung oder einen neuen Arbeitsplatz werden über Apps verschickt. Partnersuche? Digital! Kinderbeschäftigung? Digital! Behördengänge? Digital! Du hast eine Beschwerde beim Energieversorger? Na? Richtig… Wählen Sie die 1, wenn…
So könnte ich stundenlang weiter aufzählen. Auch kuriose Erscheinungen. Eine Zahnärztin berichtete neulich, dass sie viele junge Patienten hat, die zwar die seitlichen Zähne sehr gut putzen, aber den gesamten vorderen Zahnbereich komplett vernachlässigt haben. Warum? Weil sie während des Zähneputzens permanent aufs Handy starren und da wäre die Hand mit der Zahnbürste im Weg. Kann man sich nicht ausdenken.
Eltern, die ihre Kinder im Kinderwagen mit dem Handy ruhigstellen, Betrüger, die die Unerfahrenheit der Leute nutzen, um sie digital unterstützt übers Ohr zu hauen, Menschen, die ihre seelischen Wunden im Internet offenlegen und Heilung suchen – all dies gehört heute zu unserem Alltag. Ebenso sind Fake-News, verzerrte Berichterstattung und KI-generierte, wie echt aussehende, Bilder und Videos Bestandteil der schönen „neuen“ digitalen Welt.
Es ist nicht so, dass ich Digitalisierung grundsätzlich doof finde. Ganz im Gegenteil. Mit der rasanten Entwicklung in nahezu allen Lebensbereichen fühle ich mich manchmal aber überfordert. Wenn ich daran denke, wie es älteren Leuten bereits jetzt damit gehen muss und wie schwer mir die immer fortschreitende digitale Umstellung des normalen Lebens im Alter vielleicht selbst fallen wird, dann macht mir das durchaus Angst.
Andererseits ist die digitale Welt aber auch eine Fundgrube und ein Schatz. Ich erhalte Einblicke in viele andere Leben, lerne Leute kennen, die ich sonst nicht getroffen hätte und kann mich selbst mitteilen. Die damit einhergehende Reizüberflutung ist ein Problem, dem ich mich täglich stellen muss. Es ist schwierig, zu entscheiden, welche Informationen ich benötige, welche tatsächlich echt sind, welche mir gut tun, welche nur Zeit stehlen oder welche mich verunsichern und ängstigen.
Die Zeiten verändern sich. Rasant. Und das ist eine große Herausforderung.