Leseproben/Kurzgeschichten
Maria
Mein Name ist Maria. Dies wird eine längere Geschichte und keine schöne. Vielleicht wollen Sie mal herzhaft darüber lachen, wie blöd manche Menschen sind? Nur zu. Keine Hemmungen, ich erzähls Ihnen. Sie brauchen bloß zu lesen.
Es ist einfach und doch etwas kompliziert. Schließlich geht es nicht nur um Dummheit, sondern um Straftaten. Am Anfang …
Am Anfang stand Falk. Falk Wiesemann, der Betrüger. Dass er ein Betrüger ist, wusste ich natürlich nicht, als er mich ansprach. Für mich war es einfach der attraktivste Mann, der jemals Interesse an mir gezeigt hat.
Ich bin ein Dorfkind, wie man so schön sagt und das sieht man mir auch an. Mit einer Größe um die Einsachtzig bin ich weder zierlich noch interessant für die meisten Männer. Meine Haare sind so widerborstig, dass man daraus ohne Probleme einen ganz passablen Besen fertigen könnte. Nein, hässlich bin ich nicht, aber eben auch keine Prinzessin, der jeder Kerl hinterherschmachtet. Frauen mit breitem Kreuz und kräftigen Händen stehen leider nicht sehr hoch im Kurs, weshalb ich als einzige von uns sieben Geschwistern allein geblieben bin. Natürlich bin ich keine alte Jungfer, ich habe durchaus Erfahrungen gesammelt. Für Falk war ich dennoch das ideale Opfer. Leider.
Die Wege des Herrn
Ich beende die Seite mit einem schön verschnörkelten S und hoffe, Bruder Franziskus wird zufrieden sein mit meiner Arbeit. Die ganze Woche schrieb ich an diesem Text, malte Buchstaben für Buchstaben. Manierlich stehen sie beieinander, in gleichmäßigen Abständen und sehen aus, wie kleine Soldaten.
Mein Blick sucht das Pergament nach Tintenspritzern ab und möchte sich doch stattdessen so gerne dem hellen Licht des Sonnenstrahls anvertrauen, der seinen Weg zu mir in die Schreibstube gefunden hat. Das Pergament ist perfekt, soweit ich das beurteilen kann. Jedoch… Bruder Franziskus entdeckt auch den kleinsten Fehler. Ich muss abwarten, ob meine Arbeit seine Zustimmung findet, ehe ich meine Feder reinigen und in den Hof gehen darf. Vielleicht kann ich Bruder Ernestus noch ein wenig im Garten helfen.
Am Nachbarpult steht Bruder Alonsius. Er ist tief über das Pergament gebeugt, das er transkribiert. Graue Haare umkränzen seinen bleichen, kahlen Hinterkopf. Ob ich auch einmal so enden werde, wie er? Alt, den Rücken krumm, die Finger geschwollen und weiß im Gesicht, weil ich die Sonne zu selten gesehen habe?
Bruder Alonsius wechselt hin und wieder die Stellung seiner Füße. Sie schmerzen, wie die meinigen auch. Ob noch etwas von dem Pfefferminzöl in der Vorratskammer ist? Gottes natürliche Gaben wirken Wunder bei überanstrengten Gliedmaßen. Aber zuvor schickt der Herr den Schmerz, um uns daran zu erinnern, dass Gottes Werk zu tun, Mühsal und Qual bedeutet.
Manchmal frage ich mich, warum der Herr mich mit dieser zierlichen Handschrift gestraft hat. Viel lieber würde ich im Garten arbeiten, den Spaten in den Boden stechen, die Saat ausbringen oder selbstgezogene Pflänzchen setzen, auf dass sie wachsen und gedeihen. Stattdessen hat er mich mit dieser Bürde geschlagen, die mich dazu verdammt, jeden Tag an diesem Pult zu stehen und ein Pergament nach dem anderen mit Buchstabensoldaten zu füllen. Wenn doch nur Bruder Franziskus käme, mich zu erlösen. Und, Herr, vergib mir, könntest du dafür sorgen, dass jemand anderer meinen Platz ab morgen einnimmt?
***
Als ich die Tür öffnete, sah Bruder Aegidius mich erschrocken an. Als ob ich ihn gerade bei unreinen Gedanken ertappt hätte.
Zwölf Pfoten
Da saßen sie nun, die zwei Miezen, und bewachten das Mauseloch auf der Wiese. Das darin lebende Mäuschen tat mir leid, aber Mäusejagd ist nun mal die Natur der Katzen und meine beiden waren keine Ausnahmen. Ich beobachtete sie schon eine ganze Weile und hatte mein Vergnügen daran, wie aufmerksam und mit welcher Grazie sie agierten.
Ronja, die Kleinere, peitschte aufgeregt mit dem Schwanz. Der braune Fleck mitten in ihrem Gesicht gab ihr ein vorwitziges Aussehen. Das passte gut zu ihrem Wesen und, man muss es sagen, sie machte ihrem Namen alle Ehre, unsere kleine Räubertochter. So zierlich sie war, ging sie doch völlig ohne Angst auch auf die größten Kater los, die aus Versehen oder absichtlich unseren Garten durchquerten oder bestand andere Mutproben, die sich in so einem Katzenleben nicht vermeiden lassen. Mäusefangen stand auf ihrer Agenda aber ganz weit oben.
Sally, ihre Schwester, war ein ganzes Stück größer gewachsen. Weiß der Teufel, wie sie das geschafft hat. Sie saß aufrecht und würdevoll, wie eine ägyptische Statue da. Nur ihre Schwanzspitze bewegte sich leicht hin und her und verriet, dass auch sie aufgeregt auf das Erscheinen von Frau Maus wartete.
Während die beiden derart beschäftigt waren, winkte ich unserer Hündin Kara. Sie ist die Jüngste unserer Fellnasen, aber die Größte. Die Miezen können locker unter ihr hindurch laufen, was immer wieder für Erheiterung sorgt, wenn sie es tun. Karas Zeit für den Nachmittagsspaziergang war gekommen und auf mein Zeichen hin, sprintete sie eifrig zur Haustür. Chemisettchen umgelegt, Leckerchen rein in das stets hungrige Hundekind und los ging es.
Alwine und der Schatz
Stella, Alwines große Schwester, hatte beim Würfeln gewonnen und durfte deshalb entscheiden, wie die Familie den letzten Urlaubstag verbringen sollte. Natürlich wählte Stella den Strand, was Alwine fast zum Heulen gebracht hatte. Sie wäre doch viel lieber mit dem Rad gefahren, statt nur am Meer herum zu sitzen. Aber nein, Stella wollte den ganzen Tag am Strand verbringen. Entsprechend schlecht gelaunt saß Alwine deshalb nun im Sand und ließ die feinen Körner durch die Finger rieseln, während Papa auf der Luftmatratze im Wasser herumdümpelte, Mama und der kleine Jakob Karten spielten und Stella in der Sonne briet.
Auf einmal piekste sie etwas am Oberarm und als Alwine missmutig nachsah, was das war, sah sie direkt in die Augen eines himmelblauen Vogels, der sie – ja man muss es so sagen – frech ansah. Und als ob das nicht genug wäre, fing der Vogel auch noch an zu sprechen. „Na, du? Schlecht gelaunt?“
Alwine zögerte zuerst ein bisschen. Ein sprechender Vogel war ihr noch nie begegnet. Aber naja, was sollte schon passieren? Und da ihre Laune sich eben etwas besserte, ignorierte sie die Frage des Vogels und sagte: „He, wer bist denn du?“
Der Vogel reckte sich stolz in die Höhe, spreizte ein wenig das Gefieder und antwortete artig: „Ich bin dein PGLV.“
Marvins Überraschung
Als Marvin die Entertaste drückte, klopfte sein Herz wie verrückt. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl in ihm eine kalte Gelassenheit die Aufregung verdrängte. Endlich. Endlich würde Margret erhalten, was sie verdiente.
Noch schnell sandte er die Bestellung für Susi ab. Dieses Mal ohne das besondere Häkchen, das ihn gerade zehntausend Euro gekostet hatte. Susi würde einen normalen Blumenstrauß erhalten. Rote Rosen für 24,99. Bei ihrem nächsten Treffen würde sie ihn geradezu ins Bett zerren vor lauter Dankbarkeit. Marvin lächelte.
Margret hingegen. Tja. Die kriegte ebenfalls eine Liebesgabe. Nur würde sie dann nicht mehr in der Lage sein, irgendjemanden auf ihre schmuddeligen Laken zu werfen. Außer dem Teufel vielleicht.
Aus Marvins Kehle quälte sich ein Kichern, während er sich die schütteren Haare zurück strich.
Die letzten Jahre waren die Hölle. Das Versteckspiel und die dauernden Anschuldigungen. Wäre Margret nicht so nachlässig mit ihrem Äußeren umgegangen und hätte sie ihn nicht so kurz gehalten, wer weiß? Dann hätte ihn das Angebot dieses speziellen Onlinedienstes vielleicht gar nicht gereizt. Hätte ihm keine schlaflosen Nächte bereitet, in denen er mit sich rang, die Laken nass schwitzte und das Hämmern seines Herzens ihm in den Ohren dröhnte. Dann hätte es möglicherweise auch Susi nicht gegeben. Nicht in seinem Leben.
Kalt erwischt
Susi kämpfte sich schwitzend durch den verschneiten Wald. Heute morgen noch hatte die Sonne einen wunderschönen Tag versprochen. Nun – ein paar Stunden später und einige Kilometer von ihrem Hotel entfernt – fragte Susi sich, wie um alles in der Welt, sie auf ein paar Sonnenstrahlen herein fallen konnte. Eigentlich sollte sie schon lange an der Bar sitzen, einen Glühwein schlürfen und den ganzen sportlichen Idioten dabei zusehen, wie sie sich die Knochen brachen. Stattdessen hatte sie auf Rudi gehört, diesen Schwachkopf!
Schnaufend stapfte Susi durch den tiefen Schnee, machte ein unglückliches Gesicht und ignorierte die weiße Pracht auf den Tannen. Gerade als sie wieder einen ihrer klobigen Stiefel anhob, sah Susi etwas auf dem Boden funkeln. Vielleicht würde das doch noch ihr Glückstag werden? Vorsichtig setzte sie ihren Fuß ab und bückte sich. Mit ihren Fäustlingen versuchte Susi das kleine glänzende Etwas zu greifen. Vergebens. Das Glitzerding versank im lockeren Pulverschnee.
„Hrrch!“ entfuhr es Susi.
Weihnachtsfeier
Hicks.
Ich glaube, ich bin gansch schön bedrunken. Mein Gopff!
`S dreht sich ein bisschen. Der Weihnachtsbaum wird immer schneller, nanu?
Vermutlich bin ich in Ohnmacht gefallen. Ein Typ, der dem Kerl aus dem Roman von dieser, wie hieß sie noch mal, Dingsda?, wie aus dem Gesicht geschnitten ist, guckt mich mit runden Augen an. Auf den zweiten Blick, sehe ich, dass es eine altmodische runde Brille ist. Aha. Ich wollte mich schon wundern.
Seine Lippen kräuseln sich und sagen etwas zu mir. Lauter unverständliches Zeug. Seinen Namen kriege ich aber mit.
„Harry?“
Der Typ nickt.
Vorsichtig setze ich mich auf, halte dabei mit einer Hand meinen Brummschädel fest und überlege dabei, ob ich mich gleich übergebe oder erst nachher.
Der Anstand gewinnt.